Ein bahnbrechender Fund verändert unser Bild der europäischen Frühgeschichte: Forscher in der Ukraine stoßen auf 1,4 Millionen Jahre alte Steinwerkzeuge.
Es stellt sich heraus, dass Europa bereits erheblich früher von Frühmenschen bevölkert wurde, als bislang angenommen. Ein entscheidender Schlüssel für diese Erkenntnis sind altsteinzeitliche Steinwerkzeuge, die in einer Ausgrabungsstätte bei Korolewo in der Ukraine entdeckt wurden.
Ein internationales Forschungsteam teilte in der renommierten Zeitschrift „Nature“ mit, dass diese Werkzeuge auf ein Alter von etwa 1,4 Millionen Jahren datiert wurden und somit die ältesten bekannten Artefakte des Homo erectus in Europa darstellen. Die bisherigen Rekorde für die frühesten Spuren von Frühmenschen in Europa wurden aus Fundstätten wie Atapuerca in Spanien und der Vallonet-Höhle in Südfrankreich berichtet, deren Alter auf etwa 1,1 bis 1,2 Millionen Jahre geschätzt wurde.
Ein Fenster in die Vergangenheit
Eine tiefere Analyse der Werkzeuge lässt auf die Migrationswege der frühen Menschen schließen. Dank einer zeitlichen und räumlichen Korrelation mit Funden aus Dmanissi in Südgeorgien, wo das Alter von Knochenresten auf 1,8 Millionen Jahre bestimmt wurde, erschließt sich nun ein klarer Hinweis auf eine allmähliche Wanderung von Ost nach West nach Europa.
In diesem Zusammenhang steht auch die Theorie, dass die ersten menschlichen Vorfahren möglicherweise aus der Levante kamen, also den Ländern an der Küste und im Hinterland des östlichen Mittelmeers. Interessanterweise wurden im Zarqa-Tal in Jordanien ähnliche Steinwerkzeuge gefunden, die ein Alter von zwei bis zweieinhalb Millionen Jahren aufweisen.
Die Route nach Europa
Die Forscher spekulieren über den Einwanderungsweg entlang der Donau, da die Fundstelle bei Korolewo in der Nähe des Flusses Theiß liegt, einem Nebenfluss der Donau. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine Gruppe von Frühmenschen flussaufwärts nach Europa migrierte.
Allerdings sind laut Team noch zu wenig Funde vorhanden, um eine verlässliche Chronologie der menschlichen Frühgeschichte in Europa aufzustellen. Dennoch: Die Besiedlung von Korolewo vor rund 1,4 Millionen Jahren stellt bisherige Annahmen, nach denen Menschen erst nach der weitverbreiteten Kolonisierung Südeuropas in nördlichere Breiten vorstießen, infrage.
Methoden der Altersbestimmung
Für die Altersbestimmung der Fundschicht verwendete das Forschungsteam zwei Datierungsmethoden, basierend auf den radioaktiven Isotopen Beryllium-10 und Aluminium-26. Diese entstehen durch kosmische Strahlung und deren Verhältnis ermöglicht eine genaue Altersbestimmung. Beide Methoden erbrachten konsistent ein Alter von etwa 1,42 Millionen Jahren.
Im Herzen des kalten Nordens
Sollten die Werkzeuge tatsächlich dem Homo erectus zugeordnet werden können, dann wäre der Fundort Korolewo mit einem Breitengrad von 48,2° nördlicher Breite der bislang nördlichste bekannte Aufenthaltsort dieser Frühmenschen-Art. Die klimatischen Bedingungen waren vor 1,42 Millionen Jahren offenbar günstig, gekennzeichnet durch Warmzeiten, die zu den wärmsten ihrer Epoche zählten.
Indem wir ständig neue Elemente der Vergangenheit aufdecken, wird das Mosaik der menschlichen Geschichte immer komplexer und faszinierender. Die Forschung über die Ursprünge und Wanderungen der ersten Menschen wirft nicht nur Licht auf unsere Vergangenheit, sondern auch auf die unglaublichen Anpassungsfähigkeiten unserer Vorfahren an sich ständig ändernde Umgebungen.